Baum der Hoffnung
Am Mittwoch, dem 19. November 2025, war es uns eine grosse Ehre, gemeinsam mit der Tschechischen Schule Adliswil das Treffen unserer Kinder mit Herrn Professor Ivan Lefkovits zu organisieren und damit zugleich den ersten Jahrestag der Pflanzung des Baums der Hoffnung im Garten der Botschaft zu würdigen.
Die Vorbereitungen in der Schule auf die persönliche Begegnung mit einer so aussergewöhnlichen Persönlichkeit waren sorgfältig, und die Kinder haben uns nicht enttäuscht. Sie überhäuften Herrn Lefkovits mit vielen Fragen und erkundigten sich offen nach seinen Erinnerungen und Erfahrungen aus dem Konzentrationslager. Der Professor sprach fesselnd, mit tiefer Menschlichkeit und Versöhnlichkeit, die am Mittwochabend eine eindrückliche Erinnerung an die menschliche Dimension seiner Geschichte war.
Ein grosser Dank gilt dem Tschechischen Klub Zürich für die Mitwirkung an dem Projekt, der Botschaft der Tschechischen Republik in Bern für ihre entgegenkommende und grosszügige Unterstützung, Anita Winter, der Direktorin der Gamaraal Foundation, für ihre persönliche Teilnahme und ihr Engagement, sowie der Gedenkstätte Theresienstadt für die freundliche Ausleihe eines Teils der Wanderausstellung Erinnerungen aus Theresienstadt – Die Kleine Festung durch die Augen des Fotografen Jan Šibík. Ein besonderer Dank geht an Miroslav Veselý für seine Beratung und das inspirierende Treffen beim ersten Baum der Hoffnung in Theresienstadt. Nicht zuletzt danken wir Leandra de Pol und Alex Steiner für die wunderbare musikalische Begleitung.
Kennen Sie die Geschichte des Baums der Hoffnung? Falls nicht, können Sie sie hier lesen:
In Theresienstadt wächst ein Baum, der eine besondere und sehr berührende Geschichte hat. Auf den ersten Blick sieht er wie ein ganz gewöhnlicher Ahorn aus – seine Zweige sind im Sommer grün und leuchten im Herbst in Rot- und Goldtönen. Doch wenn man näher kommt, entdeckt man eine kleine Tafel. Darauf steht, dass diesen Baum die Kinder gepflanzt haben, die während des Zweiten Weltkriegs in Theresienstadt lebten. Das war im Jahr 1943, genau am jüdischen Baumfest. Vom ursprünglichen Ahorn ist heute nur ein Teil des Stamms übrig, die Folge einer schweren Überschwemmung in Theresienstadt. Daneben jedoch wächst sein direkter Nachkomme – lebendig und kräftig.
Damals war Theresienstadt ein Ort, an den jüdische Menschen im Krieg eingesperrt wurden. Es war eine traurige, abgeschlossene Welt. Die Kinder dort konnten nicht zur Schule gehen, nicht über Wiesen laufen und nicht auf Spielplätzen spielen. Viele von ihnen hatten ihre Häuser und Freunde verloren. Trotzdem gaben ihre Lehrerinnen und Lehrer nicht auf. Heimlich brachten sie ihnen Lesen, Schreiben, Singen und Malen bei. Sie wollten, dass die Kinder nicht vergessen, dass selbst in schweren Zeiten ein Licht im Menschen bleiben kann.
An einem Wintertag beschlossen sie, ein kleines Bäumchen zu pflanzen – als Symbol für Leben, Mut und den Glauben an eine bessere Zukunft. Weil es draussen kalt war und der Boden gefroren, mussten sie sehr vorsichtig sein. Einer der Erwachsenen versteckte das junge Ahronbäumchen in einem Gummistiefel, damit es niemand bemerkte. Die Kinder setzten es dann in eine kleine Blechdose mit Erde. Jeden Tag kamen sie zu ihm, gaben ihm Wasser und wünschten sich, dass es einmal bis in den Himmel wachsen würde. Im Frühling, als die Sonne endlich wieder wärmte, pflanzten sie den Baum in den Hof um. Sie passten auf ihn auf, obwohl sie selbst nur wenig zu essen und wenig Kraft hatten.
Die Zeit verging und aus Theresienstadt fuhren nach und nach Züge – voller Menschen, auch voller Kinder. Viele von ihnen kehrten nie zurück. Die Lehrerin Irma Lauscherová überlebte und vergaß nie. Zusammen mit anderen Besuchern stand sie oft still beim Baum und erinnerte sich an ihre kleinen Schülerinnen und Schüler. Für sie war es nicht nur ein Baum – es war ein lebendiges Denkmal für Mut, Freundschaft und die Liebe, die damals in den Kindern lebte.
Nach dem Krieg wurde lange wenig über Theresienstadt gesprochen. Die Menschen fürchteten sich vor den Erinnerungen. Doch Irma und ihr Mann Jiří Lauscher erzählten allen, die zuhören wollten, von diesem Baum. Sie führten Besucher zum Friedhof und zeigten ihnen den Ahorn, der dort noch immer wuchs. Und dann geschah etwas Schönes – die Geschichte des Baums verbreitete sich in der Welt. Menschen in verschiedenen Ländern begannen neue Bäume zu pflanzen – Nachkommen des Theresienstädter Ahorns. Jeder dieser neuen Bäume trägt die Botschaft der Kinder von Theresienstadt weiter: dass selbst in der Dunkelheit Leben entstehen kann, wenn wir ihm Hoffnung geben.
Heute wächst ein solcher Baum etwa in Israel, ein weiterer in Deutschland, in Amerika und auch in der Schweiz. Gerade in der Schweiz wurde vor einiger Zeit ein junger Baum gepflanzt – von Petr Pavel, dem tschechischen Präsidenten, und Professor Ivan Lefkovits. Damals stand dort ein kleines Stück Theresienstadt – ein Stück einer Geschichte, die niemals vergessen werden darf. Wenn Sie heute fortgehen, vergessen Sie nicht, den kleinen Ahorn im Garten der Botschaft zu besuchen. Und wenn Sie zu ihm treten, erinnert er Sie vielleicht daran, dass auch aus grossem Schmerz etwas Schönes wachsen kann – dass Leben und Güte wieder spriessen können, so wie aus einem kleinen Samen ein neuer Baum entsteht.